Es gibt viele sakramental geschlossene Ehen. Genaue Zahlen finde ich gerade nicht, aber bei gut einer Milliarde Katholiken weltweit dürften wir mit mindestens 100 Millionen richtig liegen, vermutlich sind es noch viel mehr.
Der Papst jedenfalls hält die meisten dieser Ehen für ungültig geschlossen. (Zur Quelle hier http://www.ncregister.com/daily-news/most-marriages-today-are-invalid-pope-francis-suggests/)
Begründung: da wir in einer ¨Kultur des Vorläufigen¨ lebten, könnten die Brautleute die Dimensionen des Eheversprechens gar nicht erst verstehen. Noch pointierter: sie schwören sich zwar Treue, bis daß der Tod sie scheidet, wissen aber dabei nicht, was sie sagen. Mit anderen Worten: sie seien eheunmündig.
Wie gesagt, wir sprechen von mehreren zig Millionen, denen der Papst unterstellt, sie lebten in einer Ehe, die nicht sakramental geschlossen hätte werden dürfen, weil ein Ehehindernis vorgelegen habe.
Nun mag es durchaus sein, daß allzuviele Priester allzu nonchalant einem Paar den Segen geben, das heißt, ohne die Ernsthaftigkeit des Ehewillens der Brautleute gründlich zu prüfen. Ohne ihnen gründlich zu vermitteln, daß die sakramentale Ehe eben kein (rein) weltlich Ding ist. Das allerdings ist das Versäumnis dieser Kleriker.
Wo aber das ¨Ja, ich will¨ einmal vor Gott und der Welt gesagt ist, muß es als gültig betrachtet werden. Auch und gerade in Zeiten, in der die Mode Beliebigkeit und Vorläufigkeit als Tugend verkauft und Treue, Beständigkeit und Erleidensfähigkeit in den Ruch der Rigidität bringt. So war es immer Sitte und Gesetz der Kirche: Das Sakrament wird als gültig erachtet, bis schwerwiegende Indizien auftauchen, die für eine Ungültigkeit, also ein verborgenes Ehehindernis vor der Trauung sprechen.
Franziskus liefert diese Indizien nicht, er trägt nur eine Hypothese vor. Mit der er plaudernd zig Millionen verheirateten Katholiken vor aller Welt vorhält, daß ihre Ehe gar keine sei. Ein ungeheuerlicher Satz. Und eine imho bodenlose Unverschämtheit gegen Millionen Ehegatten, von denen er nichts weiß.
Wörtlich sprach er von ¨den meisten¨. Doch was ist mit anderen, den wenigen, denen er den Stand der Ehe nicht verbal aberkennt? Leben die etwa in einer anderen Kultur? Sicher nicht. Oder aber: ist es also doch möglich, sich den Zeitmoden zu entziehen und gegen den lärmend propagierten Geist des ewigen Provisoriums zu siegen? Warum dann den einen und anderen nicht? Der Pontifex stellt diese Fragen nicht einmal, geschweige denn, daß er sie beantwortete.
Stattdessen empfiehlt er unter anderem ein Zusammenleben wie Mann und Frau ohne Trauschein, ohne Sakrament. Daß dies nach der geltenden Lehre Sünde ist, erwähnt er nicht einmal. Die Theorie: so könnten die noch Unmündigen allmählich zu einer Reife gelangen, die sie irgendwann doch noch zur Ehe befähigte. Selbstverständlich müßten sie dabei ¨begleitet¨ werden.
Schon die Lebenserfahrung spricht dagegen. Zwar gibt es tatsächlich Paare, aber auch Einzelpersonen, die lange brauchen, den entscheidenden Schritt zu tun. Aber viel mehr, bei denen ein ¨g’schlampertes Verhältnis¨ eher zu einem zweiten und dritten führt und sich die Unverbindlichkeit durch Gewohnheit verfestigt.
Es summt unüberhörbar zwischen des Pontifex Zeilen das Kaspersche Lied von der Gradualität, von der sakramentalen Ehe als für viele unerreichbares Ideal. Und denen, die es dennoch unternehmen wird nun noch mehrheitlich eine Scheinehe attestiert. (müssen nun eigentlich alle Ehepaare zum Gültigkeitstest, oder wie findet man heraus, ob man selbst gemeint ist?)
Der Verdacht, daß durchgedrückt werden soll, was die Mehrheit der Familiensynode noch abwehrte, drängt sich auf: die Schleifung der Bastion Ehe, die Segnung nichtehelicher Verhältnis. Fatal.
Warum liest der Papst nicht seinen Priestern die Leviten, die Ehevorbereitung in vollem Sinne ernst zu nehmen, auf daß keiner mehr sagen kann: ¨Das habe ich nicht gewußt!¨? Und wenn es denn in diesen wilden stürmischen Zeiten tatsächlich mehr Heroismus bräuchte, eine sakramentale Ehe zu wagen, -aber waren nicht fast alle Zeiten stürmisch auf ihre Art?- dann erwartete ich den flammenden Aufruf ¨Seid Helden, versucht es!¨ statt paternalistischem Gluckentum und Entmündigung von Millionen Katholiken, die, ob fest oder wankelmütig im Glauben, diesen Kampf aufgenommen haben, sicher auch oft mit dem Kreuz ringend.
Aufmuntern, anspornen muß sie ein guter Hirte. Und nicht massenhaft verführen, das Kreuz wegzuwerfen und in schlechten Zeiten durch den nun meilenweiten Notausgang der Annullierung zu entfliehen.
Auf den Punkt gebracht!
Das Problem ist nicht die Ehevorbereitung.
Ehe ist keine Priestersache. Zwei Gläubige spenden sich gegenseitig aus freien Stücken das Sakrament der Ehe, Punkt. Die Kirche schreibt den Priester als Zeugen (!) vor. Sicher wird er verlangen dürfen, daß es man ihm hinreichend lang vorher sagt, daß er seinen Terminplan macht, und daß er zwei- oder dreimal oder von mir aus auch viermal nachfragt, ob sie es denn ernstmeinen, und die entsprechenden Papiere unterzeichnen läßt, daß sie über den Inhalt ihres Versprechens belehrt worden sind.
Darüber hinausgehende Ehevorbereitung muß aber auf freiwilliger Basis erfolgen; d. h. „ich biete euch das an, verheirate euch [recte: assistiere eurer Trauung] aber auch ohne“. Es gibt so etwas wie ein Recht auf die Sakramente und auch ein Recht des unbescholtenen Kirchenmitglieds, daß es nicht unter den Generalverdacht der Simulation gestellt wird. Ehe ist keine Priesterweihe und kein Mönchsstand und zwar in einem gewissen Sinne „Berufung“ (übrigens nicht in demselben wie die Priesterweihe), untersteht aber *nicht* den kirchlichen Prüfungsämtern (bildungsmäßiger und entschlossenheitsmäßiger Art) das kirchliche Amt hat beim eigentlichen Sakrament nur Notarfunktion. Die Prüfungen, soweit nötig, führen die Brautleute wechselseitig aneinander durch.
Das ist kein Versäumnis der Kleriker – außer daß sie vielleicht den ganz unehespezifischen Glauben nicht gelehrt haben, der die Leute vielleicht eher willig gemacht hätte, zu ihrem Wort zu stehen. Speziell ehebezogen jedenfalls aber ist es: sorry, ein Versäumnis der Laien. Die versprechen was und halten’s nicht.
Herrje, ja, das hatte ich schon ganz vergessen … Dazu passt aber auch wunderbar ein aktueller pontifikaler Blurp vom Tage: Let us abbandon a language of condemnation and embrace one of mercy.
Prosit und ein gesegnetes Hochfest.
Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu „Scheidung auf katholisch“!